Hauptschüler erleben ein spannendes Abenteuer -
fast wie im Dschungel-Camp
Ein Bericht der Stolberger Zeitung vom 19.09.2009


Ungewöhnliche Maßnahmen zur Berufsqualifikation: Erfolgserlebnisse stärken das Selbstbewusstsein.

Von Dirk Müller

Stolberg. An einem kühlen und diesigen Morgen macht sich eine Gruppe Jugendlicher auf den Weg in den Breiniger Wald. Nach gut zehnminütigem Fußmarsch ist die Stelle erreicht, an der das Abenteuer beginnen kann. Die hohen Bäume und weitläufigen Zerklüftungen im Wald sind ihr Areal. Die zwanzig Mädchen und Jungen überqueren auf einer Seilbrücke einen Abhang, werden eine tiefe Schlucht hinunter abgeseilt und klettern an einem mit Knoten versehenen Tau in Richtung Baumkrone. Der Wald dient ihnen als natürlicher Abenteuerspielplatz. Doch Spiel und Spaß sind lediglich Begleiterscheinungen. Tatsächlich sind die Jugendlichen Schüler der Kogelshäuserschule, und die Aktion im Breiniger Wald ist nur ein Baustein des Berufswahlqualifizierungskonzepts der Ganztagshauptschule.

Intensive Berufsvorbereitung

In der Jahrgangsstufe 5 angefangen, werden die Schüler auf das künftige Berufsleben vorbereitet; der Endspurt erfolgt in Jahrgangsstufe 10. Nach den Sommerferien stehen zunächst drei Tage im Zeichen der Berufsqualifizierung. Die Firma Leoni-Kerpen bietet zusammen mit einer Krankenkasse an einem Tag ein Bewerbungstraining an. Aus der Sicht des Arbeitgebers erhalten die Schüler Bewerbungstipps und üben Vorstellungsgespräche.

Im Jugendtreff "Westside" stehen den Schülern Sozialpädagogen zur Seite. Intensiv arbeiten sie in Kleingruppen an Bewerbungen und Vorstellungsgesprächen. "Wir profitieren von der guten Vernetzung der Schulen und der offenen Jugendarbeit", erklärt Markus Stork, Schulsozialarbeiter der Kogelshäuserschule. "Mit jedem Schüler erstellen wir individuell eine Bewerbungsmappe, üben den Erstkontakt per Telefon und simulieren in Rollenspielen Vorstellungsgespräche. Die Schüler sind dabei aktiv als Arbeitssuchender, Arbeiter und Chef. Aber auch als Beobachter des Rollenspiels besprechen sie anschließend gemeinsam, was gut oder verbesserungswürdig war."

Den dritten Tag verbringen die Schüler dann im Wald. Die körperliche Aktivität und vor allem direkte Erfolgserlebnisse helfen, das Selbstbewusstsein der Jugendlichen zu stärken. Lehrer Heinz Emonts beschreibt die Misere der Hauptschüler: "Die meisten haben eher ein schlechtes Selbstwertgefühl, da sie häufig empfinden, dass ihnen als Hauptschüler viele Vorurteile entgegengebracht werden. Übrigens zu Unrecht, es handelt sich hier um liebenswerte junge Menschen. Im Bereich Bewerbung und Vorstellung aber ist Selbstbewusstsein wichtig, deshalb fördern wir es."

So beweisen sich die Schüler in der Natur selbst und erlernen und üben dabei auch soziale Kompetenzen. "Teamfähigkeit, Zuverlässigkeit und Konzentration sind ebenfalls wichtige Komponenten der Übung", weiß Markus Ullmann, dessen Firma die Ausrüstung und fachliche Erfahrung stellt. So müssen die Schüler sich hundertprozentig aufeinander verlassen können, wenn sie sich gegenseitig mit dem Halteseil sichern.

Arbeit statt Schule

Im Anschluss an die drei Aktionstage zur Berufsvorbereitung beginnen die Schüler ein dreiwöchiges Praktikum. Zwischen den Herbst- und den folgenden Sommerferien gehen sie dann jeden Dienstag zur Arbeit statt zur Schule. In großen Firmen und Betrieben wie Leoni-Kerpen, KME oder Kaufland absolvieren sie ihr Jahrespraktikum ebenso wie in Stolberger Kleinbetrieben, beispielsweise bei Frisören.

Schulsozialarbeiter Stork sieht in dem begleitenden Jahrespraktikum eine große Chance: "Die Schüler werden im Praktikum drei Wochen lang eingearbeitet. Im Verlauf des Jahres können sie ihre Fähigkeit und Zuverlässigkeit unter Beweis stellen. Die Arbeitgeber ihrerseits lernen die jungen angehenden Arbeitskräfte kennen und schätzen."

 

 

 

 

Wie im Dschungelcamp: Durch ungewöhnliche Aktionen gewinnen
die Schüler Selbstbewusstsein. Die Übungen stärken außerdem
die soziale Kompetenz und die Konzentrationsfähigkeit. Foto: D. Müller

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Fotos: M. Stork

 

 

 

 

G. Liedtjens, zuletzt geändert am 11.11.2009